Berichterstattung über Opfer einer Straftat – Hinweis auf „schweren Schock“ greift nicht in den höchstpersönlichen Lebensbereich ein

Eine Tageszeitung berichtet (wahrheitsgemäß) darüber, dass ein Taxifahrer von Fahrgästen in seinem Taxi überfallen und mit einer Waffe bedroht wurde. Im Rahmen des Berichts wird erwähnt, dass das Opfer des Überfalls – wenngleich physisch unverletzt – einen „schweren Schock“ erlitten habe.

Das Erstgericht sprach dem Überfallsopfer eine Entschädigung gem §§ 7 und 7a MedienG zu, weil der Bericht in dessen höchstpersönlichen Lebensbereich eingreife.

Der gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung (wegen Nichtigkeit) gab das OLG Wien mit Urteil vom 20.10.2016, 18 Bs 226/16s, Folge, hob dieses auf und wies den Entschädigungsantrag des Taxifahres ab.

Wie das OLG Wien in der Urteilsbegründung betont, liegt der Umstand, dass jemand eine Straftat begangen hat, einer solchen verdächtigt wird oder Opfer einer solchen wurde, grundsätzlich außerhalb dessen höchstpersönlichen Lebensbereichs. Anderes könne allenfalls gelten, wenn das Opfer bloßgestellt werde, indem die Veröffentlichung vordergründig Mitleid mit diesem auslöse, weil dies in Spott und Verachtung ausarten könne. Berichte über Tatverdächtige, Täter und Opfer gerichtlich strafbarer Handlungen seien somit in erster Linie nach §§ 7a und 7b MedienG zu beurteilen. § 7 MedienG könne allerdings dann berührt sein, wenn sich eine Kriminalberichterstattung auf irgendwelche mit der Straftat nicht zusammenhängenden Umstände aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich eines Beteiligten beziehe. Darüber hinaus seien allgemein bekannte Tatsachen nicht Teil des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Allgemein bekannt seien aber nur solche Tatsachen, die jedermann einsichtig sein müssen, also etwa der Umstand, dass der Tod eines Verwandten Trauer bewirkt.

Der hier gegenständliche Hinweis, der Antragsteller habe durch den berichteten Überfall einen „schweren Schock“ erlitten, stellt nach Auffassung des OLG Wien keinen Eingriff in dessen höchstpersönlichen Lebensbereich dar. Dies hätte schließlich zur Folge, dass praktisch jede Berichterstattung über die Verletzungen des Opfers durch eine Straftat (Bericht über physische oder auch psychische Folgen) tatbestandsmäßig nach § 7 Abs 1 MedienG wäre. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen greifen jedoch nur solche Berichte in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Opfer ein, die über die mit dem Bericht der Straftat selbstverständlich einhergehenden Begleiterscheinungen und Folgen hinausgehen und – auch was die Art der Darstellung und die Ausführlichkeit der Schilderung der Leidenszustände betrifft – geeignet sind, Mitleid oder unerwünschte Anteilnahme mit diesen auszulösen bzw vorwiegend der Befriedigung der Sensationslust und Neugierde des Medienpublikums dienen.

Durch die bloße Erwähnung, der Antragsteller habe als Taxilenker durch den (bewaffneten) Überfall durch seine Fahrgäste einen Schock erlitten, würden allerdings (nur) die für jeden Leser nachvollziehbaren, quasi selbstverständlichen Folgen einer solchen Tat geschildert, ohne weitere Details über den dadurch beim Betroffenen allenfalls hervorgerufenen Leidenszustand oder eine dadurch möglicherweise erforderlich gewordene Behandlung preiszugeben.

Vor diesem Hintergrund sei weder der Tatbestand des § 7 MedienG erfüllt noch liege eine Verletzung schutzwürdiger Interessen iSd § 7a Abs 2 Z 1 MedienG vor, zumal der Hinweis, jemand habe als Opfer eines Raubüberfalls einen Schock erlitten, den Betroffenen weder lächerlich mache noch peinliche Details preisgebe. Allfällige Anhaltspunkte für die Annahme, durch die inkriminierte Berichterstattung seien sonstige schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzt worden, waren den erstgerichtlichen Feststellungen des Erstgerichts nicht zu entnehmen.

(AT)

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